Die SPD-Stadtratsfraktion hatte in der Junisitzung des Stadtrats beantragt, endlich eine fundierte Wohnraumbedarfsanalyse für die Stadt St. Wendel in Auftrag zu geben. Ziel: Belastbare Zahlen und Fakten darüber, welche Wohnformen – vom altersgerechten Wohnen bis zur Familienwohnung – wo tatsächlich benötigt werden mit Blick auf die demographische Entwicklung, mit Leerstandskataster, aktualisierter Bauinteressentenliste und vollständiger Baulückenbilanz. All dies liegt der Verwaltung derzeit nicht vor, wie mehrere Anfragen der SPD in den letzten Monaten ergeben haben.
CDU, ProWND, FDP und AfD lehnten den Antrag jedoch ab. Stattdessen forderte die CDU, das einstimmig vom Stadtrat beschlossene Stadtentwicklungskonzept (SEKO) aus dem Jahr 2017 fortschreiben zu lassen.
Dazu äußert sich der Fraktionsvorsitzende der SPD, Marc André Müller: „Wir haben der Fortschreibung des SEKO selbstverständlich zugestimmt. Dennoch ist völlig klar, dass ein SEKO in seiner Tiefe und Methodik nicht mit einer spezifischen Wohnraumbedarfsanalyse zu vergleichen ist.“ Während ein SEKO strategische Leitlinien für viele Themenfelder der Stadtentwicklung liefert, geht eine Wohnraumbedarfsanalyse nämlich viel detaillierter auf konkrete Bedarfe, Prognosen und Handlungsempfehlungen zum Wohnungsmarkt ein.
Dennoch lohnt sich der Blick ins SEKO von 2017, denn darin werden viele aktuelle Forderungen und Ansichten der SPD bekräftigt. Auf den Seiten 74 bis 85 kann jeder nachlesen, was das damals beauftragte Planungsbüro Kernplan der Stadt schon vor acht Jahren ins Stammbuch geschrieben hat:
- Bereits 2017 wurde an mehreren Stellen auf den unübersehbaren Bevölkerungsrückgang aufmerksam gemacht.
- Das SEKO fordert eine differenzierte Wohnraumbedarfsanalyse mit Berücksichtigung der demographischen Entwicklung und des Bevölkerungsrückgangs.
- 2017 standen insgesamt 350 Wohngebäude im gesamten Stadtgebiet leer. Allein in der Kernstadt waren 137 Leerstände zu verzeichnen. Das entsprach 5,1 % aller Gebäude – ein Wert, der deutlich über dem saarländischen Durchschnitt von 2,5–3 %
- Das SEKO mahnt daher eindringlich: „Die Leerstandsproblematik sollte nicht unterschätzt werden, vor allem in der Kernstadt.“ (vgl. Seite 77)
- Es unterstreicht die Notwendigkeit, den Fokus auf Innenentwicklung, Sanierung alter Bausubstanz und passgenaue Wohnangebote zu legen. Es warnt, dass man nicht weiter ungebremst neue Flächen auf der grünen Wiese verbrauchen dürfe, weil dadurch Infrastrukturkosten explodieren und Ortskerne veröden werden (vgl. S. 75).
Dazu zieht Marc André Müller folgendes Fazit: „Wer heute gegen eine Wohnraumbedarfsanalyse, Leerstandsmanagement und vorausschauende Planung stimmt, handelt konkret gegen die Empfehlungen und Beschlüsse, auf die sich der Stadtrat schon 2017 einstimmig verständigt hat. Dass dann in der jüngsten Stadtratssitzung ausgerechnet der CDU-Fraktionsvorsitzende Sebastian Schorr uns mit Blick auf das SEKO vorwarf, vergesslich zu sein, schlägt aber dem Fass den Boden aus!“ Vielmehr müsse man kritisch hinterfragen, wer hier wirklich vergesslich ist? „Die, die sich an den gemeinsam beschlossenen Plan halten – oder die, die ihn jahrelang in der Schublade liegen lassen oder ihn sogar wissentlich unterlaufen?“, so Marc André Müller.
Das SEKO in Gänze kann man hier nachlesen: https://2024.sankt-wendel.de/wp-content/uploads/2024/05/SEKO.pdf
Einige interessante wörtliche Zitate aus dem SEKO:
„Die Erschließung von Siedlungsbereichen für Wohn- und Gewerbezwecke durch Straßen und technische Infrastruktur (Wasser, Abwasser, Strom, Gas) ist neben Einnahmen durch Entwicklung und Verkauf von Bauland auch mit entsprechenden dauerhaften Erstellungs- und Folgekosten für Unterhaltung, Pflege und Sanierung der Anlagen verbunden und hat somit Einfluss auf den Finanzhaushalt der Kommune. Zudem bedeutet die Außenentwicklung bei rückläufiger Gesamteinwohnerzahl, dass frei werdenden Wohngebäuden in den Ortskernen (siehe Leerstände) Nachfragepotenzial entzogen und so möglicherweise Verödungsprozesse in den Kernbereichen verstärkt werden.“ (S. 75)
„So gab es im Juni 2016, neben den 350 bereits leerstehenden Gebäuden, weitere 1.131 Gebäude in der Kreisstadt St. Wendel mit ausschließlich älteren Bewohnern (≥ 70 Jahre) (…).“ (S. 77)
„Um den Bedarf an zusätzlichen Wohneinheiten bis 2025 in der Kernstadt (…) decken zu können, sollten möglichst auch leerstehende Wohngebäude revitalisiert werden.“ (S. 80)
„Große Erschließungen auf der „grünen Wiese“ gehören angesichts der Bevölkerungsentwicklung der Vergangenheit an. Im Sinne vertretbarer Infrastrukturkosten - und um dem für die Attraktivität der gesamten Kreisstadt wichtigen Erhalt lebendiger Stadtteilkerne keine kontraproduktive Konkurrenz an den Siedlungsrändern entgegenzusetzen - sollten nur noch bedarfsorientiert einzelne kleine Siedlungsflächenerweiterungen bzw. -arrondierungen zulässig sein." (S. 83)